Aiwangers Bruder übernimmt Verantwortung für antisemitisches Flugblatt aus Schulzeit
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat Antisemitismus-Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Flugblatt aus Schulzeiten entschieden zurückgewiesen. "Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend", erklärte der bayerische Vize-Ministerpräsident am Samstag laut einem Parteisprecher. Stattdessen räumte Aiwangers Bruder ein, Urheber der Hetzschrift zu sein, wie die Mediengruppe Oberbayern berichtete.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte in ihrer Samstagausgabe über den Fall berichtet. Demnach steht Aiwanger im Verdacht, als Schüler das antisemitische Flugblatt verfasst und an seiner Schule ausgelegt zu haben. Die Zeitung sprach nach eigenen Angaben mit einer Reihe von Augenzeugen, die von dem Vorfall berichteten, und zitierte auch aus dem Schriftstück mit dem rechtsextremistischen Inhalt.
Die Zeugen, die anonym bleiben wollten, berichteten der "SZ", Aiwanger sei damals als Urheber des Pamphlets zur Verantwortung gezogen worden. Demnach traf sich deswegen der Disziplinarausschuss der Schule. Aiwanger habe seine Urheberschaft nicht bestritten und sei "bestraft worden".
Der Bericht sorgte für große Empörung und setzte den Freie-Wähler-Chef wenige Wochen vor den bayerischen Landtagswahlen unter Druck. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte der "SZ", es stünden "schlimme Vorwürfe im Raum". Diese müssten aufgeklärt und vollständig ausgeräumt werden. Aus der bayerischen Opposition wurden Rücktrittsforderungen laut.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb auf X, ehemals Twitter: "Wer die Opfer von Auschwitz verhöhnt, darf in unserem Land keine Verantwortung tragen." Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, sollten die Vorwürfe zutreffen, sei Aiwanger als stellvertretender Ministerpräsident von Bayern "untragbar".
Aiwanger erklärte in seiner Stellungnahme, er distanziere sich "vollends von dem Papier". Er kenne den Verfasser des Flugblatts. Dieser werde sich "selbst erklären", kündigte er an. "Weder damals noch heute war und ist es meine Art, andere Menschen zu verpfeifen."
Nach Aiwangers Darstellung waren "ein oder wenige Exemplare" des Flugblattes in seiner Schultasche gefunden worden. Die Schulleitung habe "mit der Polizei gedroht, wenn ich den Sachverhalt nicht aufkläre", erklärte Aiwanger.
Als Ausweg sei ihm angeboten worden, ein Referat zu halten. "Dies ging ich unter Druck ein. Damit war die Sache für die Schule erledigt." Er könne sich aber nicht erinnern, ob er damals "eine Erklärung abgegeben oder einzelne Exemplare weitergegeben" habe, fügte Aiwanger hinzu.
Wenig später meldete sich dann Aiwangers älterer Bruder zu Wort und übernahm die Verantwortung für das antisemitische Schriftstück. "Ich bin der Verfasser dieses in der Presse wiedergegebenen Flugblatts", zitierte die Mediengruppe Bayern den 53-Jährigen Helmut Aiwanger. "Vom Inhalt distanziere ich mich in jeglicher Hinsicht. Ich bedaure die Folgen der Aktion."
Die beiden Brüder hatten laut dem Bericht der Mediengruppe im Schuljahr 1987/88 gemeinsam die elfte Jahrgangsstufe des Burkhart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffenberg in Niederbayern besucht.
Das Flugblatt habe Helmut Aiwanger verfasst, nachdem er eine Jahrgangsstufe habe wiederholen müssen, berichtete die Mediengruppe Bayern weiter. "Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen bin und aus meinem Kameradenkreis herausgerissen wurde", sagte der 53-Jährige demnach.
Laut dem "SZ"-Bericht war das Flugblatt offenbar die Reaktion auf einen Schülerwettbewerb zur deutschen Geschichte. Das Pamphlet ruft zur Teilnahme an einem angeblichen Bundeswettbewerb auf: "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" Bewerber sollten sich "im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch" melden, hieß es darin. Als erster Preis wurde "Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" ausgelobt. Weiter zu gewinnen sei "Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab".
A.Kenneally--NG