Stuttgarter Terrorprozess: Haftstrafen für rechtsextremistische Gruppe S.
Im Stuttgarter Terrorprozess um die rechtsextremistische Gruppe S. hat das Oberlandesgericht Stuttgart am Donnerstag Haftstrafen von bis zu sechs Jahren verhängt. Es sah es als erwiesen an, dass Mitglieder der Gruppe Anschläge auf Moscheen begehen wollten, um so einen Bürgerkrieg in Deutschland auszulösen. So hätten sie eine ihrer Meinung nach drohende Herrschaftsübernahme von Zuwanderern verhindern wollen.
Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer sprach von "rechtsextremer Einstellung" und der Identifikation mit nationalsozialistischem Gedankengut. Er zitierte aus Chats und Telefonaten der Angeklagten, in denen Muslime, Juden oder Flüchtlinge diffamiert wurden. Einige der Angeklagten hatten nach Gerichtsangaben schon vor Gründung der Gruppe S. Führungspositionen in rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppierungen inne.
Gegründet wurde die Gruppe S. demnach im Februar 2020 im nordrhein-westfälischen Minden, wo im Haus eines Angeklagten ein Treffen der Männer stattfand, die aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands stammen und sich größtenteils aus Chatgruppen kannten. Bei dem Treffen wurde auch verabredet, Waffen für Anschläge zu beschaffen und Geld dafür zu sammeln.
Als Rädelsführer gilt der 57 Jahre alte Werner S. Er soll schon seit dem Sommer 2019 nach Gleichgesinnten gesucht haben, da ihm seine bisherige Gruppe nicht radikal genug gewesen sei. S., nach dem die Gruppe S. benannt ist, wurde nun zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ein zweiter Anführer der Gruppe bekam eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.
Freigesprochen wurde der Mann, der die Polizei informiert hatte. Er hatte selbst in den Chats kommuniziert und an dem Treffen in Minden teilgenommen. Zwar sei es ihm vor allem um Selbstdarstellung gegangen und um die Angst, dass seine Bewährung wegen einer anderen Straftat widerrufen werden könnte. Doch sei nicht auszuschließen, dass er auch Anschläge vereiteln wollte, sagte Anderer.
Wenige Tage nach dem Gründungstreffen wurden die Mitglieder der Gruppe festgenommen, im November 2020 erfolgte die Anklage. Weitere acht Angeklagte wurden nun zu Strafen zwischen einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung und viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Das Gericht sprach sie unterschiedlicher Taten schuldig: entweder der Gründung einer terroristischen Vereinigung oder der Beihilfe dazu sowie der Mitgliedschaft oder der Unterstützung einer solchen Gruppe. Mehrere Angeklagte begingen demnach außerdem Waffendelikte - bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen waren Schusswaffen und Munition gefunden worden, die sie nicht besitzen durften.
Fünf der Männer saßen bis zum Urteil in Untersuchungshaft und wurden von Justizbeamten in den Gerichtssaal geführt. Sie verfolgten die Urteilsverkündung größtenteils teilnahmslos mit hängenden Köpfen - nur als der Freispruch für U. verkündet wurde, ging ein Raunen durch den Saal.
Tatsächlich war er schon am Tag nach dem Treffen in Münden als "Verräter" verdächtigt worden, wie das Gericht feststellte. Rädelsführer S. habe in der Untersuchungshaft sogar versucht, ihn umbringen zu lassen - von einem italienischen Mithäftling, den er für einen Mafioso hielt, der ihn aber an den Gefängnispsychologen verriet.
Der Mammutprozess in Stuttgart hatte im April 2021 begonnen und dauerte somit mehr als zweieinhalb Jahre. Er zog sich unter anderem wegen der Pandemie in die Länge. Ursprünglich war noch ein weiterer Mann angeklagt, der aber während dieser Zeit starb.
Eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft würdigte das Urteil in Stuttgart als "klares Zeichen gegen gewalttätigen Rechtsextremismus". Die Urteilsverkündung sollte noch bis zum Donnerstagabend dauern.
X.Fitzpatrick--NG