Zehntausende demonstrieren in Ungarn gegen Begnadigung in Missbrauchsfall
In Ungarn sind am Freitag zehntausende Menschen gegen eine Begnadigung in einem Missbrauchsfall auf die Straße gegangen. Zu den Protesten auf dem Heldenplatz im Stadtzentrum hatten Prominente aus der Musik- und Kulturszene sowie Influencer aufgerufen. "Wir haben genug", schrieben sie in ihrem Aufruf und und forderten die Menschen auf, ihre Stimmen für "Opferschutz, Transparenz, menschlichen Anstand und ehrlichen sozialen Dialog" zu erheben.
Bei den Protesten geht es um die Begnadigung eines in Kindesmissbrauch verwickelten Mannes im April 2023 durch die damalige ungarische Präsidentin Katalin Novak. Der ehemalige stellvertretende Leiter eines Kinderheims war 2022 zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er kriminelle Handlungen seines Vorgesetzten gedeckt hatte.
Novak war durch die Enthüllungen vergangene Woche massiv unter Druck geraten und am Samstag zurückgetreten. Auch die ehemalige Justizministerin Judit Varga, die der Begnadigung zugestimmt an, kündigte an, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen.
Der Fall schlägt aber weiterhin hohe Wellen: Am Freitag reichte auch der Bischof Zoltan Balog von der ungarischen Reformierten Kirche seinen Rücktritt ein. Er war unter Druck geraten, weil er als Berater der Präsidentin die Begnadigung unterstützt hatte. Bevor er Bischof wurde, gehörte Balog der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban an.
Auch für Orban selbst wird der Fall zunehmend zum Problem. Sein Stabschef Gergely Gulyas betonte am Freitag auf einer Pressekonferenz, Orban habe erst vergangene Woche von der Begnadigung erfahren. "Der Ministerpräsident hat selbst aus der die Presse von der Affäre erfahren", sagte Gulyas. Orban hat sich selbst noch nicht zu Wort gemeldet. Am Samstag hält er seine jährliche Rede zur Lage der Nation.
C.Queeney--NG