Nach Angriffen auf Politiker: Rufe nach mehr Polizeischutz und Fairnessabkommen
Nach Angriffen auf politisch Aktive wird über Maßnahmen zu deren Schutz und zur Stärkung der Demokratie diskutiert. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte: "Es braucht mehr Polizeischutz für Veranstaltungen und konsequentes Vorgehen der Staatsanwaltschaften und Richter gegen die Täter." Zudem müsse gesichert sein, dass Kommunalpolitiker Vorfälle melden könnten und diese auch ernst genommen würden. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schlug überparteiliche Plakataktionen sowie Fairnessabkommen zwischen den Parteien vor.
Klingbeil forderte in der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe) ein deutlich entschiedeneres Vorgehen der Sicherheitsbehörden bei Wahlkampfveranstaltungen. "Ich erwarte von den Innenministern von Bund und Ländern, dass der Wahlkampf ausreichend abgesichert ist." Gegen Gewalttäter müsse "knallhart durchgegriffen" werden.
Thüringens Ministerpräsident Ramelow forderte, parteiübergreifend gegen Gewalt und zum Schutz der Demokratie zusammenzustehen. "Die Angriffe sind Angriffe auf uns alle, und sie richten sich vor allem gegen jene, die sich für die Demokratie in den Wahlkampf begeben", sagte er den RND-Zeitungen vom Donnerstag. "Dahinter steckt eine Verrohung, die genau diese Demokratie zerstören will. Man schlägt eine Person und will die Menschen einschüchtern, die sich für die Demokratie erkennbar machen."
"Dagegen heißt es zusammen zu stehen", sagte Ramelow. "Mein Vorschlag wären deshalb gemeinsame Plakataktionen gegen Gewalt und für Demokratie. Fairnessabkommen aller demokratischen Parteien sollten das positiv begleiten." Gewalt gegen Menschen im Wahlkampf sei Ausdruck von Hass und Hetze und richte sich gegen eine liberale, offene und demokratische Gesellschaft. Dagegen müsse gelten: "Wehret den Zuständen!"
Auch die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, kritisierte die Angriffe auf deutsche Politiker scharf. "Diese Versuche, unsere Demokratie zu untergraben und Angst zu schüren, sind äußerst ernst und besorgniserregend", schrieb sie in einem Gastbeitrag für die RND-Zeitungen. "Es ist offenkundig, dass unsere gemeinsame Reaktion dem gewachsen sein muss."
Am Dienstag war die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) nach Polizeiangaben in einer Bibliothek mit einem Beutel mit hartem Inhalt angegriffen worden. Der 74-jährige Tatverdächtige wurde am Mittwoch in die Psychiatrie eingewiesen.
In Dresden war in der vergangenen Woche der sächsische SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Zuvor soll die verantwortliche Gruppe einen 28-Jährigen angegriffen haben, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte. Am Dienstagabend wurde eine Grünen-Politikerin ebenfalls in der sächsischen Landeshauptstadt bedroht und bespuckt, als sie Wahlplakate aufhängen wollte.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte dem Sender Deutsche Welle zu den Angriffen: "Das erinnert an diese wirklich dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte, wo Menschen, die sich für Politik engagieren, (...) von anderen bedroht werden." Der Rechtsstaat und die Polizei müssten hier "mit aller Klarheit und aller Härte" agieren. Gefordert seien aber auch "wir als Gesellschaft".
Kretschmer sprach einem Geist, "der durch diese geistigen Brandstifter der AfD, vor allen Dingen durch diese rechten Kameradschaften in dieses Land eingesickert ist". Dies verfange bei einem Teil der Bevölkerung, der aber klein sei. "Wichtig ist, dass der Rest, der überwiegende Teil dieses Landes, sich jetzt klar artikuliert, klar aufmacht, sich auch schützend vor solche Menschen stellt", sagte der CDU-Politiker.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sieht das Erstarken des Rechtspopulismus und der AfD als Hauptgrund für die Attacken. Zugleich warf er auch Politikern von Union und FDP vor, zu der Verrohung des Diskurses beizutragen. "Ich nehme mit großer Sorge wahr, dass es auch bei einzelnen Unionspolitikern zuletzt häufiger eine Fokussierung auf Feindbilder gab", sagte Maier der "Rheinischen Post". "Vor allem die Grünen und die 'Ampel' werden teilweise in einem unsäglichen Tonfall angegangen."
W.Murphy--NG