Anschlag auf Synagoge in Südfrankreich: Behörden ermitteln wegen "Terrorangriffs"
Nach einem Anschlag auf eine Synagoge in Südfrankreich gehen die Behörden von einem Terrorangriff aus. Aus Ermittlerkreisen hieß es am Samstag, Überwachungsvideos zeigten kurz nach der Explosion am jüdischen Ruhetag Schabbat vor dem Gotteshaus in La Grande-Motte einen Mann mit einer palästinensischen Flagge. Regierungschef Gabriel Attal sagte bei einem Besuch in der südfranzösischen Küstenstadt, Frankreich sei "einem absoluten Drama" entkommen.
Am Samstagmorgen waren offiziellen Angaben zufolge zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr zwei Autos im Innenhof der Beth Yaacov Synagoge in La Grande-Motte in Brand gesetzt worden. Auch zwei Türen der Synagoge und ein außerhalb des Gebäudes geparktes Auto gerieten in Brand. Anwohner hätten die Polizei über mehrere Feuer informiert, hieß es aus der Präfektur.
Nach Angaben der französischen Antiterror-Staatsanwaltschaft (Pnat) explodierte eine Gasflasche, die sich in einem der ausgebrannten Fahrzeuge befand. Dabei wurde ein Polizist leicht verletzt. Nach Angaben aus der Präfektur waren vier weitere Gasflaschen in dem Innenhof deponiert, von denen eine ebenfalls explodierte.
Aufnahmen der Überwachungskamera zeigten einen Mann mit Flaschen in der Hand, in denen sich eine gelbe Flüssigkeit befand. Sein Kopf ist in den Videos in ein rotes sogenanntes Palästinensertuch gehüllt, um seine Hüfte ist eine palästinensische Flagge geschlungen. Auf einem der Bilder ist eine Waffe erkennbar, bei der es sich nach Angaben der Ermittler um eine 9-mm-Pistole handeln könnte. Die Aufnahmen seien allerdings nicht deutlich. Der Verdächtige flüchtete den Angaben zufolge zu Fuß vom Tatort.
Die Pnat teilte mit, sie habe Ermittlungen wegen versuchten terroristischen Mordes, Zerstörung durch gefährliche terroristische Mittel und der Bildung einer terroristischen kriminellen Vereinigung zur Vorbereitung von Verbrechen gegen Personen eingeleitet.
Am jüdischen Feiertag Schabbat, der freitagabends beginnt und samstagabends endet, strömen Gottesdienstbesucher normalerweise vor allem am Samstagmorgen in die Synagogen. Zum Zeitpunkt des Anschlags befanden sich nach Angaben der Ermittler jedoch lediglich fünf Menschen in dem Gebäude, darunter auch der Rabbiner. Sie alle blieben demnach unverletzt.
Die Synagoge Beth Yaacov Atlan, die in einem einstöckigen Gebäude in einem Wohngebiet in La Grande-Motte untergebracht ist, wurde vor zwölf Jahren auf Initiative von zwei Brüdern aus Algerien eingeweiht. Am Samstag war der Gottesdienst laut der Synagogen-Website für 09.00 Uhr angesetzt. Nach Angaben von Perla Danan, der Präsidentin der Region Languedoc-Roussillon im jüdischen Dachverband Crif, gibt es im Sommer "sehr viele Urlauber in La Grande-Motte und an der Küste, die hier beten".
Am späten Nachmittag traf Regierungschef Attal in La Grande-Motte ein. Angesichts der an diesem Tag ausnahmsweise kaum besuchten Synagoge sagte er: "Wir können davon ausgehen, dass wir einem absoluten Drama entkommen sind."
Nach ersten Erkenntnissen sei der Angreifer "äußerst entschlossen" vorgegangen, sagte Attal. "Wenn die Synagoge zu diesem Zeitpunkt mit Gläubigen gefüllt gewesen wäre, hätte es wahrscheinlich Opfer gegeben." Attal verurteilte in diesem Zusammenhang "ein Klima", das seit dem 7. Oktober und dem beispiellosen Angriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel "von einigen geschürt" werde.
Zuvor hatte sich bereits Präsident Emmanuel Macron solidarisch mit den Juden in Frankreich gezeigt. "Der Kampf gegen den Antisemitismus ist ein täglicher Kampf in jedem Augenblick und einer vereinten Nation", betonte er im Onlinedienst X. Es werde "alles getan, um den Urheber dieses Terrorakts zu finden". Innenminister Gérald Darmanin ordnete seinerseits erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen im ganzen Land an.
Die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten in Frankreich ist nach dem Beginn des durch den Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelösten Krieges im Gazastreifen deutlich gestiegen. Während der ersten Jahreshälfte wurden laut Darmanin 887 solcher Taten gezählt. 2023 waren es im gleichen Zeitraum 304 Taten.
Der Crif hatte vor Monaten erklärt, die Zahlen antisemitisch motivierter Straftaten sei nach dem 7. Oktober nahezu "explodiert". Am Samstag verurteilte Crif den Anschlag in La Grande-Motte als "Versuch, Juden zu töten". Die Verwendung eines Gasbehälters in einem Auto vor einer Synagoge, wenn dort Betende erwartet würden, sei "nicht nur ein krimineller Akt", erklärte der Crif-Vorsitzende Yonathan Afri. "Das lässt eine Tötungsabsicht erkennen."
L.Boyle--NG