Türkisches Gericht schließt pro-kurdische HDP von Parteienfinanzierung aus
Weniger als sechs Monate vor der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei hat das türkische Verfassungsgericht die pro-kurdische Partei HDP wegen des Vorwurfs der "Verbindungen zum Terrorismus" vorerst von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Die Gerichtsentscheidung ziele darauf ab, faire und demokratische Wahlen zu verhindern, erklärte die HDP am Donnerstag.
Gegen die Partei läuft derzeit auch ein Verbotsverfahren wegen des Vorwurfs "terroristischer Aktivitäten". Eine Entscheidung könnte am kommenden Dienstag fallen.
Laut dem türkischen Nachrichtensender NTV hätte die HDP in diesem Jahr umgerechnet 27 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten sollen, ein Drittel davon noch vor dem 10. Januar. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte, die Gerichtsentscheidung zeige, dass die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan Gerichte dazu missbrauche, die politische Opposition "zu benachteiligen, aus dem Weg zu räumen und zu bestrafen".
Die linksgerichtete HDP ist die drittgrößte Partei im türkischen Parlament. Präsident Erdogan beschuldigt die Oppositionspartei regelmäßig, der politische Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, die im Südosten des Landes und im Nordirak gegen die türkische Armee kämpft. Die HDP weist die Vorwürfe zurück.
Westliche Länder kritisieren das Vorgehen gegen die Partei als politisch motiviert. Bei der Parlamentswahl 2018 hatte die HDP knapp sechs Millionen Stimmen erhalten. Die islamisch-nationalistische Regierung von Erdogan geht seit Jahren hart gegen die Partei vor. Viele ihrer Anhänger und Vertreter sitzen im Gefängnis.
Bei einem Verbot der linksgerichteten HDP würde Erdogan rechtzeitig vor der Präsidentschafts- und Parlamentswahl im Juni einen wichtigen politischen Gegner kalt stellen. Der konservative Präsident steht derzeit innenpolitisch immens unter Druck, insbesondere wegen der Wirtschaftskrise und der extrem hohen Inflationsrate. Der HDP könnte als derzeit drittstärkster Kraft nach der Wahl eine zentrale Rolle bei der Regierungsbildung zufallen.
T.M.Kelly--NG