Erstürmung von Brasiliens Kongress sorgt weltweit für Entsetzen und Empörung
Mit Entsetzen und Empörung haben Politiker weltweit am Montag auf die Erstürmung des brasilianischen Kongresses und anderer Amtsgebäude reagiert. Hunderte Anhänger des rechtsradikalen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro waren am Sonntag gewaltsam in das Kongressgebäude, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Bolsonaros linksgerichteter Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva kündigte an, hart durchzugreifen. Die Polizei meldete mindestens 300 Festnahmen.
Die Szenen erinnerten stark an die Erstürmung des US-Kongresses vor zwei Jahren durch gewaltbereite Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. Auf einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Video war zu sehen, wie sich einer der Demonstranten in deutlicher Anlehnung an die Bilder aus Washington auf dem Sitz des brasilianischen Senatspräsidenten niederlässt.
Wie Trumps radikale Anhänger erkennen auch Bolsonaros Unterstützer den Wahlsieg seines Rivalen Lula nicht an. Sie forderten am Sonntag erneut eine "Militärintervention", um den erst seit wenigen Tagen amtierenden Präsidenten Lula zu entmachten.
Die Polizei wirkte angesichts der entschlossen wirkenden Masse von grün-gelb gekleideten Menschen zunächst vollkommen überfordert. Erst nach Stunden gelang es ihr, die Lage im Regierungsviertel wieder unter Kontrolle zu bringen.
Zum Glück war aber anders als vor zwei Jahren in Washington niemand im Kongress. Präsident Lula hielt sich zum Zeitpunkt des Angriffs in der Ende 2022 bei Überschwemmungen verwüsteten südöstlichen Stadt Araraquara auf. Er kehrte rasch nach Brasília zurück, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu verschaffen.
Lula bezeichnete den Angriff als "beispiellos in der Geschichte Brasiliens". Die Angreifer nannte er "faschistische Vandalen", die zur Rechenschaft gezogen würden. Auch die Geldgeber und Drahtzieher hinter den Protesten würden für die "unverantwortlichen und undemokratischen Handlungen zahlen". Seinem Vorgänger Bolsonaro warf Lula vor, die Angreifer mit seinem Verhalten "ermutigt" zu haben.
Dieser distanzierte sich Stunden nach Beginn der Ausschreitungen halbherzig von dem Angriff. "Öffentliche Gebäude zu plündern und in sie einzudringen", verstoße gegen die "Regel" für "friedliche Demonstrationen", schrieb Bolsonaro auf Twitter. Gleichzeitig wies er jede Verantwortung zurück.
Der 67-Jährige hält sich derzeit im US-Bundesstaat Florida auf. Bis heute hat er seine Wahlniederlage nicht eingestanden und war auch entgegen der Tradition der Amtseinführung seines Erzrivalen am 1. Januar ferngeblieben.
Von Washington über Moskau bis Peking verurteilten Regierungen die Gewalt und erklärten ihre Solidarität mit Lula. US-Präsident Joe Biden sprach von einem ungeheuerlichen "Angriff auf die Demokratie und den friedlichen Machtwechsel in Brasilien". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) twitterte, die "gewalttätigen Attacken auf die demokratischen Institutionen" dürften "nicht toleriert" werden.
Der Kreml verurteilte ebenso wie das Außenministerium in Peking scharf die Gewalt der Bolsonaro-Anhänger und sagte Präsident Lula jegliche Unterstützung zu. Papst Franziskus prangerte politische Krisen auf dem amerikanischen Kontinent als Wurzel von "Spannungen und Gewalt" an und bezog sich dabei ausdrücklich auch auf Brasilien.
Auch erste Verbündete Bolsonaros distanzierten sich von den Angriffen. Der Vorsitzende seiner Liberalen Partei, Valdemar Costa Neto, sprach von einem "traurigen Tag für die brasilianische Nation". Der ebenfalls mit Bolsonaro verbündete Gouverneur des Bundesdistrikts Brasilia, Ibaneis Rocha, entschuldigte sich in einem Video bei dessen Amtsnachfolger. Er bezeichnete die Angreifer als "Vandalen" und "Terroristen".
Rocha feuerte den Sicherheitschef der Hauptstadt, Anderson Torres, einen ehemaligen Justizminister Bolsonaros. Kurz darauf wurde Rocha selbst vom Obersten Richter Alexandre de Moraes für 90 Tage vom Amt suspendiert. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte den Obersten Gerichtshof zuvor ersucht, Haftbefehle gegen Torres und alle anderen Amtsträger zu erlassen, die durch ihre "Handlungen und Unterlassungen" Mitverantwortung für die Aufstände trügen.
A.C.Netterville--NG