Krise bei den Grünen: Parteispitze erklärt geschlossen Rücktritt
Nach einer Serie von Wahlniederlagen haben die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gemeinsam mit dem gesamten Parteivorstand ihren Rücktritt erklärt. Die Grünen befänden sich "in der tiefsten Krise seit einer Dekade", sagte Nouripour am Mittwoch in Berlin zur Begründung dieses drastischen Schrittes. Es brauche einen "Neustart", um die Partei aus dieser Krise herauszuführen. Der neue Vorstand soll auf dem Parteitag im November gewählt werden.
Es brauche nun "neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen", sagte Ko-Parteichefin Ricarda Lang. Die Wahl eines neuen Vorstands solle ein "Baustein sein für die strategische Neuaufstellung dieser Partei". Lang fügte hinzu: "Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben - jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen."
Lang und Nouripour verwiesen in ihren Erklärungen auch auf das schwierige politische Umfeld, in dem starke Grüne nötig seien. "Die Bundestagswahl im nächsten Jahr ist nicht einfach irgendeine Wahl: Wir entscheiden darüber, wie sich Deutschland in Zukunft entwickelt", sagte Lang. Es gehe darum, ob "wir ein Land sind, in dem wir bei Klimaneutralität Kurs halten und sozialen Zusammenhalt schützen" - oder ob sich diejenigen durchsetzten, "die bei all dem nur Rückschritt wollen". In diesen Wettstreit müssten die Grünen "mit größtmöglicher Stärke" gehen.
Dem bisherigen Grünen-Vorstand gehören neben Lang und Nouripour noch die stellvertretenden Parteivorsitzenden Pegah Edalatian und Heiko Knopf, Geschäftsführerin Emily Büning und Bundesschatzmeister Frederic Carpenter an.
Lang und Nouripour hatten die Parteiführung Anfang 2022 von Annalena Baerbock und Robert Habeck nach deren Wechsel in die Bundesregierung übernommen. Im vergangenen November hatte der Bundesparteitag sie an der Grünen-Spitze bestätigt.
Die Grünen hatten bei der Europawahl im Juni und bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September starke Einbußen hinnehmen müssen. In bundesweiten Umfragen hat die Partei seit dem Eintritt in die Ampel-Koalition Ende 2021 stark an Zuspruch eingebüßt. In der Koalition war insbesondere die Zusammenarbeit von FDP und Grünen von Konflikten geprägt.
Die grünen Ko-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann dankten Lang und Nouripour für ihre Arbeit der vergangenen Jahre: "Wir haben großen Respekt vor Eurer Entscheidung und der des Bundesvorstands, die Partei für kommende Wahlkämpfe neu aufzustellen", erklärten sie. Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic betonte, die Entscheidung verdiene "großen Respekt". Sie sei "ein starkes Signal für die Übernahme von Verantwortung".
Der frühere Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte nach dem Rücktritt eine konzentrierte Debatte über das weitere Vorgehen: Nötig sei nun "eine ruhige und konzentrierte Diskussion, was die Strategie und die personelle Neuaufstellung an der Parteispitze betrifft", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil dankten Lang und Nouripour für eine gute Zusammenarbeit. "Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war", erklärten sie gegenüber der "Rheinischen Post". Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth erklärte, Lang und Nouripour hätten mit ihrem Schritt "Mut und Haltung" bewiesen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wertete den Rücktritt als Menetekel für die gesamte Ampel-Koalition. Problem seien "nicht die Grünen an der Parteispitze, das Problem sind die Grünen in der Bundesregierung", erklärte er. "Die Ampel implodiert. Die rot-grün-gelben Dominosteine sind am Fallen."
Auch AfD-Chefin Alice Weidel sah den Rücktritt als "Anfang vom Ende der 'Ampel'". Kanzler Scholz müsse nun "die Vertrauensfrage stellen". Deutschland brauche Neuwahlen.
Die 1994 geborene Lang stammt aus Baden-Württemberg und hatte sich in der Partei mit Themen wie Sozialpolitik, Frauenrechten und Vielfalt profiliert. Der 49-jährige Nouripour kommt aus dem hessischen Landesverband und gilt als ausgewiesener Realpolitiker. Bei der Bundestagswahl 2021 holte er in seinem Wahlkreis Frankfurt II das erste Direktmandat für die hessischen Grünen.
M.Scott--NG