Zukunftskongress soll Grüne nach Rückschlägen wieder in Schwung bringen
Nach herben Rückschlägen haben die Grünen mit einem Zukunftskongress dazu angesetzt, wieder neuen Schwung zu holen. Es gehe darum, "ein positives, optimistisches Bild von einer besseren Zukunft" für Deutschland zu zeichnen, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann am Montag zum Auftakt der Veranstaltung der Grünen-Fraktion in Berlin. Dafür sei "genau jetzt der richtige Zeitpunkt".
"Die Welt von morgen braucht zentrale Weichenstellungen heute", hob Haßelmann hervor. "Wir vertreten einen zukunftsoptimistischen Ansatz", sagte Ko-Fraktionschefin Katharina Dröge. Sie forderte, das Thema Klimaschutz wieder "in den Mittelpunkt der Politik" zu stellen. Dies sei kein Selbstzweck, sondern vor allem "der Schutz unserer Heimat", betonte Dröge mit Blick auf Hochwassergefahren und Hitzewellen.
Klimaschutz müsse zugleich bedeuten, "unser Leben besser zu machen", indem beispielsweise "die Luft besser" und "der Verkehr leiser" werde, sagte Dröge. Dies heiße aber auch, praktische Fragen vieler Menschen zu beantworten, nach bezahlbaren Mieten ebenso wie nach dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel.
Vorgestellt wurden auf dem Kongress mehrere konkrete "Zukunftsideen" zu unterschiedlichen Themenbereichen. Dazu gehören eine "Deutschland-App", die nutzerfreundlichen Zugang zu Verwaltungsangeboten bieten soll, ein spezielles Entlastungspaket für die junge Generation und ein gemeinsamer Investitionsfonds für öffentliche Infrastruktur von Bund, Ländern und Kommunen.
Ein weiteres Investitionsprogramm soll für mehr Bildungschancen sorgen. Das Deutschlandticket soll durch spezielle Angebote für Familien attraktiver werden, ergänzt durch eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum. Im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik fordern die Grünen den Aufbau eines Zentrums für Strategische Vorausschau, um Sicherheitsrisiken früher zu erkennen.
Außenministerin Annalena Baerbock warnte auf dem Kongress nachdrücklich vor Fake News und Wahlbeeinflussung insbesondere aus Russland. "Der Einfluss der Desinformationskampagnen ist groß." Baerbock äußerte sich mit Blick auf die Bedrohungen aber auch optimistisch: "Wenn Demokraten zusammenhalten, dann sind wir stärker als Autokraten und Diktatoren."
Vor einem falsch verstandenen Idealismus oder dem Wunsch, sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine abzufinden, warnte auch der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis, der als Gast an dem Grünen-Kongress teilnahm. "Das sind sehr gefährliche Diskussionen", sagte Landsbergis.
Zu mehr Risikovorsorge mahnte Parteichef Omid Nouripour - etwa auch bei ausländischen Investitionen in kritische Infrastruktur wie dem Hamburger Hafen. "Resilienz bleibt die zentrale Frage der Sicherheitspolitik", sagte er weiter.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch forderte im Vorfeld des Kongresses einen "völlig neuen Gerechtigkeitsdiskurs". Mit dem Schließen von Steuerlücken könnten große Investitionsmittel freigesetzt werden, sagte er am Morgen im ZDF. Beispielsweise wollten die Grünen Immobilienverkäufe nicht mehr nach zehn Jahren steuerfrei stellen.
Vizekanzler Robert Habeck, der als möglicher Grünen-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl gilt, will am Abend auf dem Kongress sprechen. Zur aktuellen Neuaufstellung seiner Partei sagte er am Sonntagabend dem Sender RTL, diese sortiere sich "in Windeseile und ohne großen Streit gerade neu. Das ist doch super".
Die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Nouripour hatten nach den Wahlniederlagen ihrer Partei in mehreren Bundesländern gemeinsam mit dem gesamten Bundesvorstand ihren Rücktritt angekündigt. Belastet wird die Partei zudem durch die Abkehr führender Politikerinnen und Politiker der Grünen Jugend.
Eine neue Parteispitze soll auf dem ohnehin geplanten Parteitag im November gewählt werden. Um die Nachfolge von Lang und Nouripour als Vorsitzende bewerben sich die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Audretsch könnte die Leitung der Bundestags-Wahlkampagne der Grünen übernehmen.
D.Gallaugher--NG