Scholz stellt sich auf Trump-Präsidentschaft ein - und reicht die Hand
Die Bundesregierung stellt sich auf ungewisse Zeiten im transatlantischen Verhältnis unter einem künftigen US-Präsidenten Donald Trump ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bot dem Republikaner am Mittwoch eine Zusammenarbeit an. Für die Bundesregierung gehe es nun darum, "dass wir schnell Arbeitsbeziehungen mit der künftigen US-Regierung aufbauen und unsere Standpunkte angleichen". Außenexperten in Berlin äußerten zugleich die Furcht vor wachsender Unberechenbarkeit.
Scholz machte klar, dass es im deutsch-amerikanischen Verhältnis nach dem Machtwechsel in Washington nicht beim Alten bleiben werde. "Sicher wird vieles unter einer von Donald Trump geführten Regierung anders", sagte er in Berlin. "Das hat Donald Trump auch immer öffentlich klargemacht."
Die Bundesregierung hob die gemeinsamen Interessen Deutschlands und der USA hervor - und will eine künftige Regierung Trump davon überzeugen, diese Interessen nutzbringend weiter zu verfolgen. "Gemeinsam arbeiten Deutschland und die USA seit langem erfolgreich zusammen, um Wohlstand und Freiheit auf beiden Seiten des Atlantiks zu fördern", betonte Scholz.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, Deutschland werde auch für die künftige US-Regierung "ein enger, verlässlicher Verbündeter sein". Sie fügte hinzu: "Das ist unser Angebot." Innenministerin Nancy Faeser (SPD) räumte ihre Unzufriedenheit mit dem Ausgang der Wahl ein: "Dass ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte, glaube ich, liegt auf der Hand."
Trump wird nach seiner Wahl den gegenwärtigen Präsidenten Joe Biden ablösen, der als überzeugter Transatlantiker großen Wert auf enge Beziehungen zu Deutschland und zu Europa insgesamt legte. Trumps außenpolitische Vorstellungen hingegen sind isolationistisch geprägt.
Trump verfolgt eine Politik des "America first", in der die Eigeninteressen der USA Vorrang haben. In seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner wenig Wertschätzung für die Verankerung der USA im westlichen Bündnis gezeigt - und regelmäßig Vorwürfe an Deutschland gerichtet wegen des hohen deutschen Exportüberschusses und der seiner Ansicht nach zu niedrigen Wehrausgaben.
Die Union warf der Bundesregierung am Mittwoch mangelnde Vorbereitung auf Trumps Sieg vor - und bekräftigte ihre Forderung nach Neuwahlen. "Der Kanzler hat sich einseitig an Präsident Biden gebunden", sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter in Berlin. "Er hat Kontakte zum Trump-Lager nicht genutzt."
CSU-Chef Markus Söder erklärte: "Einen gestärkten Donald Trump wird eine schwache und zerstrittene Bundesregierung wenig beeindrucken." Deshalb brauche es "jetzt erst recht Neuwahlen in Deutschland".
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, Trumps Wahlsieg werde Veränderungen nach sich ziehen, "die die Welt ein Stück in Atem halten werden". Der Vorsitzende der Atlantikbrücke fügte hinzu: "Trump wird uns herausfordern." Deutschland werde "besser mit ihm zurecht kommen, wenn wir wirtschaftlich stark sind".
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth rief Europa zu Tatkraft auf. "Jammern hilft nicht", schrieb er auf X. Deutschland und Europa müssten nun "deutlich mehr tun für Frieden, Sicherheit und Freiheit auf unserem Kontinent - das wird teuer und anstrengend".
Der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter wertete Trumps Sieg als historischen Wendepunkt für die deutsche Politik. "Der Sieg von Donald Trump ist ein riesiges Problem für Deutschland und Europa", sagte Hofreiter der "Augsburger Allgemeinen". Die zweite Amtszeit des Republikaners werde massive Folgen für die Sicherheitspolitik, für wirtschaftliche Fragen und für das Thema Klimaschutz haben.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wünschte Trump "Fortune und Weisheit" - und mahnte: "Europa sollte ihm die Hand ausstrecken."
Als einzige im Bundestag vertretene Partei zeigte sich die AfD erfreut über Trumps Sieg. "Diese Wahl könnte ein Vorbild auch für Deutschland sein", sagte sie im Deutschlandfunk. Auf die Frage, ob Trumps Bewegung unter dem Motto "Make America Great Again" ein Vorbild für die AfD sei, antwortete Weidel: "Oh, definitiv".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schickte Trump ein Gratulationsschreiben, in dem er auf die lange und enge Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen verwies. Steinmeier äußerte die Hoffnung, "dass unsere Länder auch künftig auf der Grundlage unserer demokratischen Werte, im Sinne einer starken transatlantischen Allianz und zugunsten unserer zahlreichen gemeinsamen Interessen zusammenarbeiten werden".
O.Ratchford--NG