Druck auf Johnson wächst nach Ausweitung von "Partygate"-Ermittlungen
Nachdem die britische Polizei neue Untersuchungen im Party-Skandal um Boris Johnson angekündigt hat, wächst der Druck auf den britischen Regierungschef weiter. Nach einem Bericht des "Daily Mirror" ist nun auch ein weihnachtlicher "Quizabend" im Regierungssitz in London während des Corona-Lockdowns Gegenstand der Ermittlungen, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Heftige Kritik kam aus den eigenen Reihen - vom ehemaligen konservativen Premier John Major. Dieser warf Johnson vor, zu lügen und den Ruf des Vereinigten Königreichs im Ausland zu beschädigen.
Die Boulevardzeitung "Daily Mirror" hatte ein Foto veröffentlicht, das Johnson und drei seiner Mitarbeiter im Dezember 2020 in der Downing Street zeigen soll. Auf dem Tisch steht eine offene Sektflasche, ein Mitarbeiter ist mit Lametta behangen.
Die Polizei kündigte an, im Zuge der Ermittlungen zu mindestens zwölf Veranstaltungen in der Downing Street in den Jahren 2020 und 2021 Fragebögen an mehr als 50 Menschen zu schicken. Die Befragten sollen binnen sieben Tagen Auskunft geben über ihre Aktivitäten an den betreffenden Tagen.
In den britischen Medien wird darüber spekuliert, ob auch Johnson zu den Empfängern des Fragebogens zählt. Bislang habe der Premier noch nichts erhalten, sagte sein Sprecher am Donnerstag. Verteidigungsminister Ben Wallace verwies in diesem Zusammenhang auf die Ankündigung des Regierungschefs, "vollständig und transparent" Auskunft zu geben.
Auf die Frage, ob er zurücktrete, wenn er von der Polizei mit einer Geldstrafe wegen Verstoßes gegen die Lockdown-Regeln belegt würde, verwies Johnson bei einem Besuch im Nato-Hauptquartier in Brüssel auf die andauernden Ermittlungen. Diese müssten erst abgeschlossen werden. Dann erste sei der "richtige Zeitpunkt, um mehr dazu zu sagen", sagte er vor Reportern.
"Der Premierminister und seine Beamten haben gegen die Lockdown-Regeln verstoßen. Es wurden dreiste Ausreden erdacht", sagte Ex-Premier Major in einer Rede vor dem Institute for Government, einem britischen Think Tank. "Tag für Tag wurde die Öffentlichkeit aufgefordert, das Unglaubliche zu glauben. Minister wurden losgeschickt, um das Unhaltbare zu verteidigen."
Großbritanniens internationaler Ruf sei nun "zerfetzt", sagte Major, der von 1990 bis 1997 in Großbritannien regierte. Johnson wiederum verteidigte sich: Der Vorwurf, er habe dem Ansehen des Landes geschadet, sei "nachweislich unwahr". Der Premier verwies dabei auf seine diplomatischen Bemühungen in der Ukraine-Krise.
Major ist bereits der zweite von Johnsons konservativen Vorgängern im Amt, der ihn wegen der "Partygate"-Enthüllungen kritisiert. Vergangene Woche hatte Theresa May der Downing Street vorgeworfen, sich nicht an die Regeln zu halten.
Johnson war in den vergangenen Wochen wegen des Skandals um Feiern mit reichlich Alkohol in seinem Amtssitz während des Corona-Lockdowns unter immensen Druck geraten. Mehrere Abgeordnete seiner Tory-Partei forderten öffentlich den Rücktritt des Premierministers.
Die Opposition ging unterdessen auch in der Affäre um die Renovierung seiner Wohnung in der Downing Street den Premierminister weiter an. Anwälte der Labour-Partei forderten die Londoner Polizei auf, die Finanzierung der Arbeiten durch einen wohlhabenden Parteispender zu untersuchen, da der Verdacht auf einen Verstoß gegen die Anti-Korruptions-Gesetze bestehe. Ein Regierungssprecher wies dies zurück. Die Anschuldigungen seien "unwahr" und beruhten auf einer "eindeutigen Fehlinterpretation der Tatsachen".
M.Scott--NG